Am 17. Dezember 2020 hat der Bundestag den Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) angenommen. Am 18. Dezember 2020 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf gebilligt. Damit konnten insbesondere das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) sowie weitere Gesetzesänderungen, namentlich der InsO und des COVInsAG, zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Mit dem StaRUG wird erstmals eine Unternehmenssanierung auch gegen den Willen einzelner Gläubiger außerhalb eines Insolvenzverfahrens im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit möglich sein.
Das StaRUG geht zurück auf den Referentenentwurf vom 18. September 2020 und den Regierungsentwurf vom 16. Oktober 2020, der verbreitet Zustimmung erfahren hat. Wesentliche Kritikpunkte hat neben den Berufsverbänden insbesondere der Bundesrat geäußert. Die Kritik hat zum Teil – in fundamentalen Punkten – Eingang in die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz und in das Gesetz gefunden:
- Streichung der sog. Vertragsbeendigung. Als Instrument der außergerichtlichen Sanierung nach StaRUG sah der Regierungsentwurf vor, dass das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Unternehmens bestimmte, beiderseits nicht vollständige erfüllte Verträge durch Beschluss beenden kann, wenn der Vertragspartner einem Anpassungs- oder Beendigungsverlangen zuvor nicht zugestimmt hatte. Das Instrument der Vertragsbeendigung ist als zu weitgehender Eingriff in die Rechte der Vertragspartner und einseitige Übervorteilung des zu sanierenden Unternehmens kritisiert worden. Nach Streichung der Vertragsbeendigung bleibt die Beendigung gegenseitiger Verträge dem Insolvenzverwalter oder dem eigenverwaltenden Schuldner im Insolvenzverfahren vorbehalten.
- Streichung der scharfen Haftung für Geschäftsleiter bei drohender Zahlungsunfähigkeit. Gleichermaßen kontrovers diskutiert wurde die im Regierungsentwurf vorgesehene Haftungsverschärfung für Geschäftsleiter eines Unternehmens nach Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit. In diesem Stadium sollte der Geschäftsleiter – haftungsbewehrt – in erster Linie zur Wahrung der Rechte der Gläubiger verpflichtet sein und sich nötigenfalls auch über einen entgegenstehenden Willen der Gesellschafter hinwegsetzen. Interessenkonflikte und Haftungsrisiken waren in diesen Regelungen des Regierungsentwurfs unvermeidbar angelegt – die Streichung erfolgte daher zurecht.
Im Übrigen sind die Regelungen des Regierungsentwurfs nahezu vollständig in den angenommenen Gesetzesentwurf überführt worden. Dies gilt nicht nur für das StaRUG, sondern insbesondere auch für die Änderungen der InsO, namentlich der Neujustierung der Insolvenzantragsgründe und der verschärften (formalen) Anforderungen an die Eigenverwaltung.
Insbesondere hat der Gesetzgeber – entgegen derjenigen Stimmen, die angesichts der Tragweite der Regelungen eine eingehendere Befassung gefordert hatte – auch an einem Inkrafttreten der Neuregelungen zum 1. Januar 2021 festgehalten. Das neue Sanierungsregime nach dem StaRUG sowie die Anpassungen des COVInsAG sollen den durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in Schieflage geratenen Unternehmen als Alternative zu einer Insolvenz in Eigenverwaltung zur Verfügung stehen.
Ob das StaRUG in der nun Gesetz gewordenen Fassung diesem Anspruch gerecht werden kann, darf jedenfalls bezweifelt werden:
- Durch die Streichung der Vertragsbeendigung hält das StaRUG keine Instrumente zur operativen Sanierung mehr bereit. Schon bisher konnten arbeitsrechtliche Regelungen nicht Gegenstand einer Sanierung nach dem StaRUG sein. Nun gilt: Wer nicht nur finanzwirtschaftlich, sondern (auch) operativ sanieren will oder muss, kommt nur in einem Insolvenzverfahren (in Eigenverwaltung) in den Genuss privilegierender Regelungen.
- Die Einleitung und Durchführung einer Sanierung nach dem StaRUG stellt zudem beachtliche Anforderungen an die Geschäftsleitung und die Organisation des zu sanierenden Unternehmens. Ohne professionelle betriebswirtschaftliche und rechtliche Begleitung scheint eine solche Sanierung nicht umsetzbar. Gerade KMU, welche die Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen als Adressaten auserkoren hat, werden sich diesen Aufwand womöglich – insbesondere unter dem Eindruck der Corona-Pandemie – nicht leisten können. Sitzverlegungen, etwa in die Niederlande, um von einem schuldnerfreundlicheren Restrukturierungsrecht zu profitieren, stehen nach unserer Einschätzung nur in Ausnahmefällen zu erwarten.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden sich voraussichtlich im Jahr 2021 in einer Vielzahl von Sanierungs- und Insolvenzfällen materialisieren. Die Rolle, die das StaRUG bei der Bewältigung der „Insolvenzwelle“ spielen kann, ist durch die zuletzt vorgenommenen Änderungen vermutlich kleiner geworden.